Mann in der Krise

peltzer

In Ulrich Peltzers Roman „Das bessere Leben“ gibt die Krise den Ton an und lässt die erfolgsverwöhnten Protagonisten darüber sinnieren, ob ihr Leben nicht auch komplett anders hätte verlaufen können.

Als Teenager in den 70ern war Jochen Brockmann das, was manche damals einen Halbstarken nannten – Schule schwänzen, Dope in Venlo kaufen und in fetten Joints verarbeitet durchziehen, bekifft in der Stadt abhängen, öffentlich billigen Wein trinken und die aufgerauchten Kippenstummel lässig in hohem Bogen auf den Bürgersteig schnippen und damit auf das Spießbürgertum spucken. Das war früher! Mittlerweile arbeitet der 51-Jährige seit 14 Jahren als Sales Manager für die italienische Maschinenbaufirma Basaldella, jettet durch die Welt, nächtigt in edlen Hotels, handelt Millionenverträge aus und verdient dabei so gut, dass er sein Schwarzgeldkonto in Zürich fleißig füttern und seine Sammlung von Hockney-Zeichnungen Stück für Stück erweitern kann.

Momentan läuft es indes ziemlich mies, die Krise lässt auch Brockmann straucheln; und so sinniert er – ebenso wie die meisten anderen Figuren in dem Roman (unter anderem eine zu Extremen neigende Fotografin, ein erfolgreicher Filmjournalist, der mal Kommunist war, und ein diabolischer Versicherungshai, der einst gegen den US-Imperialismus protestiert hat) – darüber, ob sein Leben zwangsläufig so hätte verlaufen müssen oder ob es nicht ebenso gut, in eine komplett andere Richtung hätte gehen können.

Hat sich die Wandlung vom Kifferschlaffi zum permanent auf Hochtouren laufenden Top-Manager aus Zufall oder Zwangläufigkeit ergeben, und ist es Schicksal oder Zufall, wenn Brockmann nach erfolglosen Verhandlungen über einen notwendigen Millionenkredit in einem Restaurant in Amsterdam an einem Tisch strandet, an dem eine einsame Geschäftsfrau sitzt, die sich in ihn und in die er sich verliebt? Und ist die Liebe vielleicht doch die beste Grundlage für „Das bessere Leben“, wie der Roman heißt, dessen Protagonist Jochen Brockmann ist?

Viele Fragen, die der Berliner Schriftsteller Ulrich Peltzer in seinem Gesellschaftsroman abarbeitet – und zwar auf sehr gekonnte Art. Wie ein Puzzle ist das Buch konstruiert, erst nach und nach erschließt sich, welche Teile zusammengehören und wer wie mit wem verbunden ist. Das alles inszeniert der 58-jährige Heinrich-Böll-Preisträger (2011) mit harten Schnitten und allerlei Perspektivwechseln, die den Leser von einem Gedankenstrom in den nächsten leiten. Das ist nicht immer leichte Lektüre, sondern erfordert Konzentration – doch wer die aufzubringen vermag, kann in ein intelligent gestaltetes Werk abtauchen, dem es keineswegs an Spannung und Aktualität mangelt und das gerade frisch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises gelandet ist.

Ulrich Peltzer: Das bessere Leben. S. Fischer, Frankfurt am Main. 448. Seiten, 22,99 €. (Juli 2015)

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