Sommerpause
Peter Stamm erzählt vom plötzlichen Ausbruch aus der Familienidylle
Astrid und Thomas sitzen an einem Sommerabend auf der Holzbank im Garten vor ihrem Haus und trinken Wein. Gerade erst vor ein paar Stunden ist das Ehepaar aus den Ferien heimgekehrt; die Koffer stehen noch unausgepackt im Flur, dafür liegen die Kinder bereits im Bett. Doch als eines der Kinder quengelt, steht Astrid auf und geht ins Haus. Thomas bleibt allein zurück, sitzt eine Weile einfach nur da und blickt in den Garten hinaus. Als er hört, wie seine Frau die Koffer auszupacken beginnt, stellt er sein Weinglas zur Seite, steht auf, macht ein paar Schritte, öffnet das Gartentor, geht die Dorfstraße hinunter, biegt in den Wald ab und verschwindet.
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Achtzehn Jahre nach ihrem Überraschungserfolg „Sommerhaus, später“ legt das ehemalige „Fräuleinwunder“ Judith Hermann mit „Lettipark“ einen weiteren Erzählungsband vor. Das Personal ihrer Geschichten ist zwar gealtert, aber die melancholische Grundstimmung erinnert stark an ihr Debüt.
Den „Sound einer neuen Generation“ meinte der Literaturkritiker Hellmuth Karasek 1998 in den Erzählungen der damals 28-jährigen Judith Hermann zu erkennen. Seine und die Begeisterung seines Kollegen Marcel Reich-Ranicki halfen dabei mit, dass sich Hermanns Debüt in den folgenden Monaten über 250.000 Mal verkaufen sollte. Im Literarischen Quartett prophezeiten die beiden Kritikerikonen der bis dahin unbekannten Autorin eine große Zukunft. Ob sich diese Prophezeiung inzwischen erfüllt hat, darüber lässt sich streiten. Der plötzliche Erfolg bereitete Hermann damals Probleme beim Schreiben neuer Texte, sie ließ sich fünf Jahre Zeit, bevor sie ihren zweiten Erzählungsband veröffentlichte („Nichts als Gespenster“) und anschließend gar weitere sechs Jahre für ihren dritten („Alice“). Beide Bücher konnten nicht an den Erfolg ihres Erstlings anknüpfen, und auch ihr erster Roman („Aller Liebe Anfang“) wurde sowohl vom Feuilleton als auch von der Leserschaft sehr gemischt aufgenommen. Nun, zwei Jahre nach ihrem Romandebüt, präsentiert sie sich mit „Lettipark“ wieder als Verfasserin der Kurzform.
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