Monatsarchiv: Mai 2015

Einsame Sessel hinterm Buchstabenbeat

gebiss

Die zwei roten Sessel auf der Bühne, auf die sich während der gesamten Lesung niemand setzt, weil die ersten drei Sprechkünstler*innen alle zum Stehpult gehen und dort ihre Gedichte lesen.

Nur der kleine Tisch, der mit Gläsern (und einer Wasserflasche auf seiner runden Platte) vor den Sesseln steht, wird einmal bewegt, weil er im Weg steht, als der vierte Dichter Platz braucht, um seine Lyrik frei zu performen.

Und der Platz wird genutzt: Julien Delmaire verdeutlicht, was das ist, ein Spoken Word Poet. Ein Rhythmus, ein Beat, der die Füße mitwippen und einen vergessen lässt, auf den Zettel zu schauen, auf dem die französischen Verse übersetzt werden.

Da vorne, da zelebriert jemand seine Poesie mit so viel Energie, dass daraus Musik wird – und tatsächlich erinnert das alles manchmal an Hip-Hop, manchmal an Reggae.

„Poesie ist Performance“, meint der brasilianische Spoken Word-Kollege. Yep.

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Soundtrack der Spoken Word Poeten

louis

Im Sparkassen-Foyer-Café. Poetry Noon mit vier Sprechdichter*innen.

Die Begrüßung zur Lesung beginnt, und im Hintergrund gehen die Türen zur Schalterhalle auf & zu, auf & zu …

Auf. Der Wind weht Auto-, Stimmen- & Straßenbahngeräusche rein.

Zu. Kleinkindergebrabbel, Gespräche vor Bankautomaten, die hinter den provisorisch aufgestellten Trennwänden stehen. Der Tastensound der Geldmaschinen. Das Knattern des Geldausspuckens.

Der Soundtrack der Lesung sozusagen, den man irgendwann ausblendet, weil da vorne auf der Bühne Verse vibrieren; „Flitzgedichte, die uns blitzschnell überholen“; Jazz-Poems mit Air Jordan– & Louis Armstrong-Einlagen; „scharftöniger Zoff“, der sich in den Hirnwindungen verkantet …

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sex sells

schieferturm

Wenn ältere Damen im Publikum vor Freude johlen, weil die Slam-Poetin Gomringer in einem Gedicht die Bewegungsabläufe beim Sex wie ein Backrezept beschreibt. „Wir ergeben einen Teig.“

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20 Sekunden Rühm-Draufgabe

rühm

Zum Abschluss eine Ikone der experimentellen Dichtung als Chansonnier am Flügel. Zwei selbst getextete Chansons.

Applaus. Verbeugung. Das war´s. Der Abend ist aus.

Von wegen. Der Mann geht zurück an die Tasten.

„Noch eine kleine Draufgabe“.

Klar, nach über drei Stunden geht auch noch eine Zugabe. Warum nicht.

25 Sekunden später steht der Mann schon wieder. Das war die Zugabe. Auf den Punkt.

Schelmisches Grinsen eines 85-Jährigen im Rampenlicht. Gelächter. Applaus. Verbeugung. Abgang. Ende. Wein. Sekt. Saft. Bar. Büchertische. Morgen ist auch noch ein Tag …

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Stoppuhr-Dichtung

uhr

10 Minuten. Ich lese was ganz anderes, aber 10 Minuten. Das stoppe ich auch.“

Sagt der Büchnerpreisträgerdichter Grünbein als Erstes, legt sein Mobiltelefon neben das Manuskript und dann direkt los; liest seine Verse und hält nur kurz inne, als nach den ersten zwei Versen des letzten Gedichts der Handywecker klingelt, da die 10 Minuten abgelaufen sind.

Na, das lese ich jetzt zu Ende.“

Wäre eigentlich ziemlich cool gewesen, wenn er tatsächlich mittendrin aufgehört hätte … Cliffhanger der Extraklasse sozusagen.

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Lost in translation

netter stein

Der chinesische Dichter, der zur schwarzen Leinwand in seinem Rücken aufschaut, wartet, bis er den Titel der deutschen Übersetzung erkennt.

„Ah. Morning.“

Und die leichte Unruhe, die aufkeimt im Publikum, wenn es minutenlang die Sprache nicht versteht und die Übersetzung auf der Leinwand lesen muss, wenn es verstehen will, was der Dichter auf der Bühne zu sagen hat.

„Das ist dann doch zu fremd“, flüstert eine Frau ihrer Sitznachbarin zu und verpasst die Poesieperlen.

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1-2-3-4-5-6 poems are bullshit …

morrison

Die Spoken-Word-Performerin in schwarzem Leder. TJ Dema legt ihre Gedichte auf, dreht die Boxen auf. Verse mit Drive, Rhythmus und Tiefgang.

„The machines don´t care if we live or die.”

Das Publikum so still, auf der Bühne so viel Power in der Poesie. Überleitungen, die wie Teile der Gedichte wirken.

Jedes Gedicht wird eingezählt. 1-2-3-4-5-6.

„Poems are bullshit unless they teach. Poems have no purpose until they reach … someone. I hope my poems have reached you.”

Definitiv. Hat jemand den Applausometer eingeschaltet und die Beifallsstärke gemessen?

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Applaus holen

4-dete-art-camp-stage - Dete

Der Gitarrist, der zum Auftakt mit seiner Gitarre auf die Bühne kommt, Applaus bekommt, sich setzen will, inne hält, den Finger hebt, wieder abgeht, beim Abgang erneut Applaus bekommt.

„Das hätte ich auch gekonnt“, meint einer. „Zugabe!“, ruft ein anderer. Gelächter.

Dann wieder Applaus als der Gitarrist zurückkommt mit den Notenblättern in der Hand.

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3-2-1 – los, los, ihr Dichter

theater

Gewusel im Eingangsbereich. Sprudelndes Geplapper im Zuschauerstrom. Begrüßungen. Rufe. Dazwischen Dichtergesichter. Grünbein ergraut. Poschmann im Mantel. Krüger leger. Jemand braucht noch eine Karte. Jemand anders hat eine zu viel. Junge Frauen mit Fragebögen auf Klemmbrettern. Ist Ihnen das Festival bekannt? Mögen Sie den Schriftzug? Gefällt Ihnen das Design des Logos?

Draußen werden letzte Zigaretten geraucht, Nachrichten getippt, Sätze auf Englisch gewechselt.

5 minutes.“

Yes, I know. I just write a message to my wife at home.”

Don´t worry about that.”

Die erste Fanfare. Einige huschen noch auf die Toiletten, bevor der Dichtermarathon beginnt. Die zweite Fanfare. Saaltüren zu, Telefone aus, Ohren auf, Hirnspeicher ein.

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Buchstaben im Rücken

london

Auf der Bühne staunt der Dichter Ben Okri über die 850 Menschen, die auf den Theaterstühlen sitzen (that would be impossible in London), zu ihm hinaufschauen und seinen Gedichten lauschen, die er in englischer Sprache vorträgt, während in seinem Rücken die Übersetzung auf eine Leinwand projiziert wird. Einmal dreht er sich um, versucht die deutschen Worte zu erhaschen, doch die weißen Buchstaben huschen zu rasch davon …

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