Zahlreiche multikulturell geprägte deutschsprachige Autoren und Autorinnen sind in Bremen zu Gast bei der 10. Ausgabe des Literaturfestivals „globale°“
Vor wenigen Wochen hat die Robert-Bosch-Stiftung angekündigt, dass sie nach 2017 nicht mehr wie bisher den Adelbert-von-Chamisso-Preis stiften wird. Dieser Literaturpreis wird seit 1985 an Autorinnen und Autoren verliehen, deren Werk zwar in deutscher Sprache entsteht, deren Muttersprache jedoch eine andere ist. Selbstredend erhoben sich allerlei Proteststimmen nach der Ankündigung; doch so abwegig ist die Entscheidung nicht, denn tatsächlich stellt sich die Frage, ob Autoren nichtdeutscher Sprachherkunft noch einer speziellen Förderung bedürfen. Nicht zuletzt in den vergangenen zehn Jahren hat sich das, was man früher Migrantenliteratur nannte, als ein zentraler Bestandteil der deutschsprachigen Literaturszene etabliert.
Dass multikulturell geprägte Autoren die deutsche Literatur entscheidend mitprägen, untermauert auch das Programm der zehnten „globale°“. Die globale ist ein Festival für grenzüberschreitende Literatur, das seit 2007 kontinuierlich gewachsen ist und Jahr für Jahr internationale Schriftsteller nach Bremen holt – oder eben solche, deren Namen zwar international klingen, die allerdings seit vielen Jahren erfolgreich in deutscher Sprache schreiben. Dazu gehören unter anderem Marica Bodrožić, Abbas Khider und Saša Stanišić, die alle drei nicht nur bereits mit dem Chamisso-Preis ausgezeichnet worden sind, sondern im Rahmen des Festivals in Bremen zu Gast sein werden.
Die 1973 in der Nähe der kroatischen Küstenstadt Split geborene und seit 1983 in Deutschland lebende Marica Bodrožić ist mit ihrem im September erschienen Roman „Das Wasser unserer Träume“ am 1.11. zu Gast im Kukoon. In ihrem vierten Roman erzählt sie die Geschichte eines Verunglückten, der im Krankenhaus aus dem Koma erwacht und dessen Sinneseindrücke und Erinnerungsversuche Bodrožić ausführlich schildert. Leider weist die Story eine gewisse Handlungsarmut auf, zudem übertreibt es die Autorin dieses Mal mit ihrer poetischen Sprache, die in vielen Passagen aufdringlich wirkt. Viel besser geglückt ist Bodrožić hingegen ihr Roman „Kirschholz und alte Gefühle“ (2012), der wie viele ihrer literarischen Arbeiten in ihrer Herkunftsregion angesiedelt ist und 2013 mit dem Preis der LiteraTour Nord prämiert wurde.
Ebenfalls aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt Saša Stanišić, der 1992 während des Bosnienkriegs mit seiner Familie aus Višegrad zu seinem Onkel nach Heidelberg geflüchtet ist, wo sein Deutschlehrer sein literarisches Talent förderte. Stanišićs Debüt („Wie der Soldat das Grammofon repariert“) wurde 2006 sogleich mit dem Förderpreis des Bremer Literaturpreises ausgezeichnet und sein zweiter Roman vor zweieinhalb Jahren mit dem Preis der Leipziger Buchmesse prämiert. Im Mai hat der 38-Jährige mit einem Erzählungsband („Fallensteller“) nachgelegt und unterstrichen, dass er erzähltechnisch einiges drauf hat und zu den spannendsten Stimmen der jüngeren deutschsprachigen Literatur gehört (zu Gast am 3.11. im Theater Bremen).
Gleiches gilt für den ebenfalls bereits vielfach ausgezeichneten Schriftsteller Abbas Khider, der in seinem (im Frühjahr erschienen) Roman „Ohrfeige“ die Geschichte eines aus dem Irak nach Deutschland Geflüchteten erzählt. Khider schildert darin den trostlosen Wartezustand der Geflüchteten, den Bürokratiewahn und Alltagsrassismus in einer klaren, teils wütenden, teils lakonischen Sprache. Die Begebenheiten, von denen Khider berichtet, dürften teilweise auf eigenen Erfahrungen beruhen, denn der 1973 in Bagdad Geborene ist selbst auf illegalen Pfaden nach Deutschland geflüchtet – nachdem er im Irak aus „politischen Gründen“ zwei Jahre im Gefängnis gesessen hat. Mit vier Romanen in acht Jahren hat der in Berlin lebende Autor sich fest etabliert in der deutschen Literatur, was ihn dennoch nicht vor rassistischen Angriffen schützt. Insbesondere sein aktueller Roman hat ihm einige Anfeindungen eingebracht, sodass er vor Kurzem gar Lesungen in Ostdeutschland abgesagt hat.
Die Einladung zur globale hat er jedoch angenommen (am 31.10. in der Stadtbibliothek) – ebenso wie Kat Kaufmann, Marjana Gaponenko oder Tomer Gardi, die sich ebenfalls nennen ließen, wenn man die Bedeutung der multikulturell geprägten Autoren für die deutsche Literaturszene belegen möchte.
Das komplette Programm findet sich unter: www.globale-literaturfestival.de