„Das war Theater gegen die Norm“

Der Schauspieler Mateng Pollkläsener im Porträt

Wer das theatre du pain (tdp) kennt, kennt Mateng Pollkläsener. Das ist der mit den großen Augen, den wenigen Haaren auf dem Kopf und dem unglaublichen Repertoire an Grimassen. Das ist der Berserker, der mit einer Motorsäge durchs Publikum marschiert, allein mit weißer Feinrippunterhose bekleidet über die Bühne tanzt oder seinen Ellbogen in einer Pfanne brät. Pollkläsener in einer Show des tdp ist Energie pur. Besucht man den Schauspieler in Hemelingen, wo er seit über 25 Jahren wohnt, dann ist das natürlich ein anderer Pollkläsener, der einen willkommen heißt und auf der Terrasse seines Hauses Latte macchiato und Kuchen auftischt. Vitalität strahlt der 56-Jährige hier allerdings nicht minder aus, wenn er sogleich schwungvoll zu erzählen beginnt – von seiner Kindheit im nordrheinwestfälischen Wiedenbrück, den Torten seines Vaters, den Stullen der Mutter, den ersten Bühnenerfahrungen beim Gemeindekarneval und den Rolling-Stones-Tonbändern seines vier Jahre älteren Bruders Uli. „Uli war mein musikalischer Vorreiter“, sagt Pollkläsener. Der Bruder war es dann auch, der ihn später nach Paderborn lockte. Nachdem er seine Tischlerausbildung abgeschlossen hatte, meldete er sich im Paderborner Erwachsenenkolleg an, um sein Abitur nachzuholen, zog bei seinem Bruder ein und sang nebenbei in dessen Straßenband, die sich vor allem durch ihre schräge Performance auszeichnete. „Da habe ich meine Liebe zu verrückten Dingen entdeckt“, sagt Pollkläsener heute, „uns war nichts zu peinlich.“

Anfang September 1984 lernte die Gruppe in Paderborn ein Kabarett-Duo aus Bremen kennen, mit dem man sich sofort verstand, spontan ein gemeinsames Programm entwickelte und kurz darauf aufführte. Das war die Geburtsstunde des tdp. „Das war Theater gegen die Norm“, sagt Pollkläsener, „wir haben darauf geschissen, was Theater eigentlich macht.“ Dabei ist es im Prinzip geblieben, die Gruppe ist auch heute noch für ihren absurden, anarchischen Humor bekannt.

Obwohl er als freiberuflicher Schauspieler regelmäßig in anderen Theater-Inszenierungen zu sehen ist (zuletzt im Musical „Facebook-AGB“ in der Spedition im Bremer Güterbahnhof), steht für Pollkläsener das tdp im Zentrum seiner Arbeit. Wenn er von den zahlreichen Auftritten, Tourneen und Auszeichnungen der Truppe erzählt, spürt man seinen Stolz über das Erreichte, genauso wie man ihm die Enttäuschung darüber anmerkt, dass das regionale Medienecho äußerst verhalten war, als man 2013 das Bremer Theater am Goetheplatz gefüllt hat: „Das sind Dinge, die mich ärgern. Wir sind keine Mainstreamtruppe, umso mehr sind wir auf die Berichterstattungen angewiesen.“ Schließlich sei das Leben als Freier nicht immer leicht. „Die Ängste, wenn es mal nicht so läuft“, gesteht er, „die sind da, aber man gewöhnt sich daran.“

Bei aller Sorge steht für ihn jedoch die Leidenschaft für seinen Beruf im Vordergrund: „Das ist ein so abwechslungsreicher Job, bei dem man so viele Menschen trifft, bei dem man so viel lernt – und zwar nicht nur für die Bühne, sondern fürs Leben.“ Mindestens zwei für ihn sehr wichtige Menschen hat er über das Theater kennengelernt. Zum einen seine Frau Rita beim ersten Auftritt des tdp und zum anderen Hans König, mit dem er nicht nur seit mehr als 30 Jahren im tdp zusammenarbeitet, sondern darüber hinaus das Duo Butzbacher & Brommelmeier bildet und in dessen Inszenierung von Moby-Dick er 2008 am Vegesacker Hafen Kapitän Ahab gespielt hat. Gemeinsam mit Wolfgang Suchner, dem dritten Mitglied des tdp, gehen sie regelmäßig auf Tour durch Deutschland. Im Sommer sind sie auch auf mehreren Festivals zu sehen, dann wird man Mateng Pollkläsener wieder in Feinrippunterhose über die Bühne tanzen sehen, und zwar sicherlich nicht zum letzten Mal: „Ich fände es klasse, wenn das bis zu unserem Lebensende so weiterginge“, sagt er und setzt sein unnachahmlich breites Grinsen auf.

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