Früher hingen am Sielwalleck immer die Punks ab, sie hockten dort mit ihren Hunden auf ranzigen Wolldecken, tranken Karlsquell aus Dosen und hörten Oi-Punk, der aus alten mit Panzerband zusammengehalten Kassettenrekordern schepperte. Einer aus der Gruppe stand meist auf dem Gehweg und quatschte die Leute an, die vorbeigingen. Haste mal ne Mark war schon so etwas wie ein geflügeltes Wort, damals, Ende der Neunziger, als es noch keinen Euro gab. Manchmal blieb ich stehen, kramte in meinem Portemonnaie und gab ihnen eine Mark oder siebzig, achtzig Pfennig, was der Punk dann immer Hammer oder geil fand, aber letztlich wohl vor allem dem Kiosk gegenüber oder dem ALDI in der Bismarckstraße zugutekam, wo die Punks ihr Bier kauften.
Inzwischen sind die Punks von der Sielwallkreuzung verschwunden, schon ziemlich lange eigentlich, ohne dass ich sagen könnte, wann genau. Vielleicht ist ja auch daran der Euro schuld, der an so vielem anderen angeblich schuld sein soll. Der Euro hat die Punks vertrieben wäre ja mal eine interessante Parole für die Wahlplakate dieser rechtspopulistischen Anti-Euro-Partei. Auf dem Plakat könnte man einen Punk mit der Parole abdrucken: Früher war ich Punk, seit es den Euro gibt, bin ich arbeitslos. Das wäre doch zumindest irgendwie originell.
Seit Neuestem habe ich wieder regelmäßig Kontakt mit Punks. In dem Haus, in dem ich im Dachgeschoss wohne, lebt seit ein paar Monaten eine Punkerin im Erdgeschoss, zusammen mit Herrn Schmidt, ihrem Rottweilermischling, die beide des Öfteren Besuch bekommen von anderen Punks. Wenn ich denen zufällig an der Haustür begegne, fragen die nie nach 70 oder 80 Cent, sondern halten mir höflich die Tür auf, und ich merke dann jedes Mal, dass ich völlig falsche Vorstellungen von Punkern habe. Meine Punk-Nachbarin hört sogar Queen und hat immer einen Hundebeutel dabei, wenn sie mit ihrem Rottweilermischling Gassi geht – von wegen Scheiß auf das System! Die Punks von heute sind auch nur ganz normale Leute; schließlich macht die einstige Ikone des Punks, John Lydon, ja inzwischen auch Werbung für Butter und nennt das dann Anarchie. In diesem Sinne könnte man sagen: Läuft doch wie geschmiert mit der Gesellschaft und den Punks – so harmonisch war´s früher nie:-)
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