Menü à la Sarrazin

mauerblick

Wer nicht arbeitet, der hat auch keinen großen Hunger. Das dachte sich wohl Thilo Sarrazin, als er einst zum Wohle der Berliner Senatskasse einen Speiseplan für Hartz IV-Empfänger austüftelte, der diesen vor Augen führen sollte, wie leicht sich mit dem vom Staate gespendeten Tagessätzen anständig haushalten ließe, wenn man nur wirklich wolle. In der realen Lebenswelt nach Sarrazins Vorstellungen verwirklicht, könnte der Plan dem Alltag der Angesprochenen in etwa folgende Struktur verleihen:

Den Tag begrüßt Hartzi mit zwei Aufbackbrötchen, auf die er jeweils zwei Gramm Butter schmiert; zwischen die ersten beiden Hälften klemmt er dann eine Scheibe Käse, während er auf den anderen beiden 5 Gramm Marmelade verteilt – dabei trinkt er seine erste Tasse Pfefferminztee.

Falls der Magen nach diesem Morgenmenü wider Erwarten noch immer sanft grummeln sollte, zaubert Hartzi die sarrazinschen Joker aus dem Frühstückskorb: einen Apfel aus dem 2-Kilo-Sack sowie ein Glas Orangensaft aus Orangenkonzentrat. Eine zweite Tasse Tee darf er sich ebenfalls gönnen (bei Bedarf zur Abwechslung gern auch einen Schwarzen Tee); Kaffee gibt’s jedoch erst am Nachmittag, damit Hartzi was hat, auf das er sich den ganzen Tag freuen kann.

Nach dem Frühstück packt Hartzi seine kleine, einst auf dem Flohmarkt ergatterte Taschenwaage ein und begibt sich auf einen Verdauungsspaziergang zum Aldi (man hat ja Zeit). Dort füllt er seine mitgebrachten Tupperdöschen mit 100 Gramm Hack für 38 Cent, 125 Gramm Spaghetti für 15 Cent sowie 200 Gramm Tomatensoße für 40 Cent. Anschließend schlendert er mit seinen exakt abgewogenen Nahrungsmittelmengen an den Spirituosen- und Süßwaren-Regalen vorbei zur Kasse, um die genau berechneten 1,03 Euro fürs Mittagessen zu zahlen, das er zu Hause eigenhändig in der Pantryküchennische zubereitet und sich schließlich zu einem Glas Leitungswasser munden lässt.

Anschließend studiert er die Werbeblätter von Aldi, Lidl und Penny, um zu gucken, ob nicht vielleicht irgendwo Butter oder Marmelade im Angebot ist, denn das liebste Hobby unseres Hartzis ist das Kostenreduzierungsspiel, auch „Schlag den Sarrazin“ genannt. Ziel ist es, noch unter den veranschlagten sarrazinschen Tagessatz zu bleiben, damit ein paar Cent für Luxusartikel wie eine Tafel Schokolade übrig bleiben, die sich Hartzi dann am Wochenende genehmigen darf.

Nachmittags kocht er sich endlich seine wohlverdiente Tasse Kaffee und holt einen 29-Cent-Joghurt aus dem Kühlschrank. Da klingelt es. Unangekündigter Besuch vom Thilo, der mit leeren Händen vor der Tür steht und grinst. Hartzi heißt ihn willkommen und bietet ihm eine halbe Tasse schwarzen Kaffee sowie fünf Löffel Joghurt an. Gemeinsam lassen sich die beiden ihren Nachmittagssnack schmecken und diskutieren dabei heiter über die aktuellen Aldi- und Lidl-Schnäppchen.

Gegen 19 Uhr will Hartzi sein Abendbrot zubereiten und schaut leicht verlegen seinen Freund Thilo an, der keine Anstalten macht, wieder nach Hause zu gehen. Also lädt unser Hartzi ihn auch zum Abendbrot ein, serviert ihm ein Viertel Gurke, 50 Gramm Kartoffelsalat sowie 47,5 Gramm Leberkäse.

Und jetzt noch ein schönes Bier!“, sagt der Thilo, und unser Hartzi nickt, schenkt jedoch Leitungswasser ein, denn eine Flasche Bier steht erst am Wochenende auf dem Speiseplan. In der Woche ist das eh Unfug, denn wer nicht arbeitet, hat auch keinen Feierabend, und wer keinen Feierabend hat, der braucht auch kein Feierabendbier. Basta!

Gegen 21 Uhr verabschiedet sich der Thilo von seinem Freund, um in irgendeiner Kneipe noch seinen Bier-Brand zu stillen. Hartzi hingegen bleibt zu Hause. Wieder allein in seiner Einzimmerwohnung setzt er sich auf seinen Lieblingsstuhl ans Fenster, schaut auf die Hochstraße, zählt die Audis, BMWs und Mercedesse und freut sich auf den nächsten Tag – denn da erwarten ihn eine Banane, eine Gemüsesuppe, zwei Scheiben Brot und sogar zwei Tassen Filterkaffee. Sarrazin sei Dank!

Anmerkung der Redaktion: Alle im Text verwendeten Klischees wurden bewusst gewählt, in der Hoffnung, dadurch Sarrazins Vorstellungen möglichst nahezukommen. Wer sich dennoch daran stört, möge das bitte entschuldigen oder sich direkt bei Herrn Sarrazin beschweren.

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