11 – Unterkühlter Abschied von der Zivilisation

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Heinz Helle schickt eine Männerclique in eine postapokalyptische Landschaft

Der beruhigende Klang von explodierendem Kerosin“ – das ist der kuriose Titel von Heinz Helles exzellentem Debüt, dem 2014 sogleich der Sprung auf die Shortlist des Schweizer Buchpreises gelang. In diesem Jahr legte der 37-Jährige rasch mit einem zweiten Kurzroman nach, der es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises schaffte und ebenfalls mit einem originellen Titel aufwartet: „Eigentlich müssten wir tanzen“. Während Helle in seinem Erstling mit einem eigenwilligen Sound von einem Philosophie-Doktoranden erzählt, der in New York mit seinen Gedanken und seiner Liebesunfähigkeit ringt, rückt er dieses Mal eine Männerclique ins Zentrum seiner Geschichte.

Fünf Freunde, die vermutlich alle auf die 40 zugehen und sich bereits seit Jugendtagen kennen, verleben gemeinsam ein Wochenende in einer Berghütte. Als sie wieder ins Tal hinuntersteigen, um zu ihren Familien heimzukehren, hat sich irgendeine grauenvolle Katastrophe ereignet – das naheliegende Dorf steht in Flammen, ihr Auto ist verkohlt und von Lebenden fehlt jede Spur. Die Männer machen sich zu Fuß auf den Weg, marschieren durch eine postapokalyptische Landschaft und müssen erleben, wie sie als gestandene, zivilisierte und erfolgsverwöhnte Männer hilflos diesem Szenario ausgeliefert sind. All ihr modernes Wissen hilft ihnen im Kampf ums Überleben nicht weiter, stattdessen mutieren sie zu Mördern, Vergewaltigern und Kannibalen.

Helle erzählt diese Weltuntergangsgeschichte äußerst nüchtern. Egal ob eine Frau vergewaltigt, einer der Freunde von einer Mine zerrissen oder einem Fremden mit Beil und Spaten der Schädel zertrümmert wird, stets schildert der Absolvent des Bieler Literaturinstituts diese Gewaltakte in einem extrem kühlen Ton. So ist die Lektüre dieses Kurzromans alles in allem nicht wirklich ein Vergnügen, und zimperliche Naturen sollten die Finger davon lassen. Trotz allem bietet das Buch, nach einem mauen ersten Drittel, eindringliche und zum Nachdenken anregende Bilder. An Helles Debüt reicht dieses zweite Werk dennoch nicht heran.

Heinz Helle: Eigentlich müssten wir tanzen. Suhrkamp, Berlin. 173 Seiten, 19,95 €.

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Eingeordnet unter Bücher 2015

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