Liebe oder Sex heißt die Frage bei Sibylle Berg
Altern ist nichts für Feiglinge. Dieser Gedanke drängt sich auf beim Lesen von Sibylle Bergs neuem Roman „Der Tag, als meine Frau einen Mann fand“. In dessen Handlungsverlauf kämpft sich ein alterndes Paar durch eine existenzielle Krise. Chloe und Rasmus sind beide Ende vierzig und seit 20 Jahren einander innig verbunden. Sie lieben den jeweils anderen, weil es mit ihm bequem ist. Im Bett läuft zwar schon lange nichts mehr, aber man kann nicht alles haben, und überhaupt halten beide Sex für überbewertet.
Allerdings ändert Chloe ihre Meinung über den Stellenwert eines erfüllten Sexuallebens, als sie während eines Aufenthalts in einem afrikanischen Kaff den deutlich jüngeren Benny kennenlernt. Holterdiepolter lässt sie den verdutzten Rasmus, der sie beide wegen eines Theaterprojekts an diesen Ort geführt hatte, im Hotel zurück. Bald jedoch steht der längst gebuchte Rückflug nach Deutschland an, und ihren schmucken Benny kann Chloe ja unmöglich mit ins sterile Apartment schleppen. Oder doch?
Explizit und mit einer Vorliebe für krasse Formulierungen schreibt Sibylle Berg über den Geschlechtsverkehr, der ausgiebig in ihrer drastischen Ménage-à-trois praktiziert wird. Dazu mischt sie allerlei kulturpessimistische Sentenzen, während sie ihre Vertreter der westlichen Zivilisation der Lächerlichkeit preisgibt. Tatsächlich entfalten zu Beginn des Romans manche Sätze ihren grandiosen Knalleffekt, indes auf Dauer entpuppt sich dieses Dauerlamento als äußerst verdrießliche Lektüre. Wer gemeinsam mit seinem Partner mitten im Altersprozess steckt und noch keine Depression hat, aber gerne eine hätte, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen.
Sibylle Berg: Der Tag, als meine Frau einen Mann fand. Hanser, München. 256 Seiten, 19,90 €.