Die Kraft der Poesie

Goethe

Am Freitagabend – vor drei Jahren – startete das 14. internationale Literaturfestival „poetry on the road“ im Bremer Theater mit acht Dichterinnen und Dichtern.

Der Zauber eines internationalen Literaturfestivals geht nicht zuletzt von der Vielzahl der Sprachen aus, in denen die vertretenen Schriftsteller ihre Texte dem Publikum präsentieren. Am Eröffnungsabend der 14. Auflage von „poetry on the road“ war am Freitag im Bremer Theater der Klang von gleich sieben verschiedenen Sprachen zu vernehmen: Hebräisch, Russisch, Spanisch, Schwedisch, Englisch und Deutsch. Da passte es sehr gut, dass der Autor und Rundfunkredakteur Michael Augustin zu Beginn in seinem Poem auf Englisch ein paar grundsätzliche Fragen zu Gedichten stellte: Wie viel wiegt ein Gedicht, wo findet sich dessen Haltbarkeitsdatum und wie lange kann ein Mensch ohne Gedichte überleben?

Augustin bildete den literarischen Auftakt, nachdem zuvor die Festivalleiterin Regina Dyck von der Hochschule Bremen sowie die Staatsrätin für Kultur, Carmen Emigholz, im ausverkauften Schauspielhaus die Eröffnungsworte gesprochen hatten. Mit Olga Martynova betrat der erste internationale Gast die Bühne. Im klangvollen Russisch trug die in Sibirien geborene und in Deutschland lebende Poetin ihre fantasievollen Gedichte vor. Auf Martynova folgte der schwedische Lyriker Lars Gustafsson, der seine Verse allerdings nicht in der schwedischen Originalversion rezitierte, sondern auf Deutsch. Das war zwar einerseits aufgrund des exzellenten Deutsch des 77-Jährigen beeindruckend, andererseits ein wenig schade, hätte man doch gern dem Klang der schwedischen Sprache gelauscht – die deutschen Übersetzungen wurden ohnehin bei allen fremdsprachigen Texten auf einer Videoleinwand zum Mitlesen eingeblendet. Doch auch auf Deutsch entfaltete Gustafssons philosophische Dichtkunst ihren Zauber und sorgte zugleich für viele Lacher im Publikum.

Schwermütiger ging es beim israelischen Romancier David Grossman zu, der einen Auszug aus seinem jüngst erschienen Roman „Aus der Zeit fallen“ las. Darin verarbeitet der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels (2010) den Tod seines 2006 im Libanonkrieg getöteten Sohnes Uri. Nach diesem eindringlichen Trauergesang ging es in die Pause, in der sich die Autoren unters Publikum mischten und ein grauhaariger Herr in schwarzer Lederjacke fleißig Bücher signierte. Der Herr in der Lederjacke war Wolf Biermann, der die zweite Hälfte mit seinen politischen Liedern einläutete und auf seiner Gitarre bereits zu spielen begann, als die Moderatorin Silke Behl von Radio Bremen noch dabei war, den Liedermacher vorzustellen. Der inzwischen 76-jährige Biermann bewies beim Singen seiner Lieder „Ermutigung“ und „Melancholie“, dass seine Stimme nichts an ihrer so eigenen Kraft verloren hat.

Mit dem Slam-Poeten Bas Böttcher betrat anschließend ein gebürtiger Bremer die Bühne und entfernte als Erstes den Ploppschutz seines Mikrofons. „Ich will keine abgefederte Sprache“, sagte er und legte sogleich mit seiner frei vorgetragenen Rap-Poesie los, die aufgrund ihres Wortwitzes viel Applaus einheimste. Als letzter Schriftsteller des Abends feierte Eckhard Henscheid dann in einer Hymne den koreanischen Fußballer Bum Kun Cha.

Den Schlusspunkt setzte der in Montevideo geborene Singer-Songwriter Jorge Drexler, dem es sogar gelang, das seit drei Stunden im stickigen Saal ausharrende Publikum zum Mitsingen auf Spanisch zu animieren. Trotz der strapaziösen Länge bildete der Abend einen gelungenen Auftakt des Literaturfestivals, das heute zu Ende geht.

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