Heiligabend. Am Nachmittag als Weihnachtsmann im Einsatz. Nach meiner ersten Station im Stephani-Viertel habe ich keine Lust, mich noch einmal umzuziehen und entscheide mich dafür, zur nächsten Station in voller Montur aufzubrechen (schwarze Hose und Stiefel, weißer Bart, rot-weiße Mütze, weiße Handschuhe und roter Mantel mit Kapuze – darunter eine Winterjacke und ein mit Watte gefüllter Jutebeutel als Weihnachtsmannwampe).
Den Weihnachtssack – in dem keine Geschenke, sondern meine Zivilklamotten stecken (für die Geschenke gibt es noch einen zweiten Sack) – klemme ich auf den Gepäckträger, dann steige ich auf mein Rad und trete in die Pedale, möglichst ohne dass sich der Mantelsaum zwischen Kettenblatt und Kette verfängt. Nach ein paar Metern kommt mir eine dreiköpfige Familie zu Fuß entgegen. Der vielleicht sechs- oder siebenjährige Junge bleibt abrupt stehen, als er mich sieht, und starrt mich mit offenem Mund an. Ich winke ihm zu, rufe (wie man das vom Weihnachtsmann erwartet) „Ho, ho, ho. Frohe Weihnachten!“ und klingel dazu mit der Fahrradklingel (meine Glocke habe ich in der Manteltasche). Als ich an den Dreien vorbei bin, höre ich hinter mir noch die Stimme des Jungen: „Papa, warum fährt der Weihnachtsmann mit dem Fahrrad?“
Gute Frage. Der Schlitten ist nicht durch den TÜV gekommen, die Rentiere hat der NABU einkassiert und überhaupt gibt es ja wegen des Klimawandels keinen Schnee mehr in Bremen – das wären drei mögliche Antworten, denke ich, biege auf die Faulenstraße ab und überfahre dabei fast einen Rauhaardackel, dem sein gut sechzigjähriges Herrchen ein bisschen zu viel Leine gegeben hat. Während ich einen Schlenker um den Dackel mache, gerät ein Mantelzipfel zwischen Kette und Kettenblatt, sodass ich abrupt abbremsen muss. Mit umständlichen Bewegungen versuche ich den Mantel zu befreien, während der Dackel mich anbellt. Der Hundebesitzer steht nur da und mustert mich stumm mit kritischem Blick. (Ne, ne, alles bestens, bei mir, ich brauche keine Hilfe, aber danke für die Nachfrage)
Ein paar Minuten später habe ich den Mantel befreit. Der weiße Saum ist an einer Stelle jetzt zwar leicht ramponiert und mit Kettenöl verschmiert, aber was soll’s, mit Rentieren und Schlitten bliebe der Mantel bestimmt auch nicht immer sauber. Also, wieder aufgesattelt und weiter zu den Stationen zwei, drei, vier und fünf – danach ist schon Feierabend (meinen persönlichen Rekord von elf Familien an einem Heiligabend werde ich erst ein Jahr später aufstellen).
Ho, ho, ho. Frohe Weihnachten! (dazu denke man sich den Klang einer kleinen Glocke oder einer Fahrradklingel – je nach Vorliebe 🙂)