Schlagwort-Archive: Kleine Weser

Zeitfenster Piero – verwaister Platz, verblichene Pläne

An der Wilhelm-Kaisen-Brücke sitze ich im Piero, einem kleinen Bistro, das vor einem halben Jahr noch ein Imbiss war, der Kleine Weser hieß – ein passender Name, denn wenn man hinausschaut, kann man auf den schmalen Seitenarm der Weser blicken. Vor allem jedoch hat man freien Blick auf die Brücke, das St.-Pauli-Stift und die Kreuzung mit dem Ostersonntagabendverkehr: ein sachter Autostrom, hin und wieder eine Straßenbahn, einige Fahrradfahrer und viele Fußgänger – Paare (Hand in Hand), kleine Gruppen, Familien, einzelne Spaziergänger; ein junger Mann in Schwarz mit einer Spiegelreflexkamera in der Hand, eine Frau mittleren Alters in hautenger Jeans mit einem Mobiltelefon am Ohr, ein Einbeiniger auf Krücken, für den die Grünphase der Ampel zu kurz ist, um die breite Straße mit den Auto- und Straßenbahnspuren komplett zu überqueren, weshalb er vor der letzten Spur auf der Verkehrsinsel stehen bleiben und seinen Hund zurückpfeifen muss, damit er nicht von den ersten anfahrenden Autos erfasst wird. Der Spitzmischling, der den Plastikgriff seiner Leine im Maul trägt, hält sofort inne und sieht sich nach seinem Herrchen um. Beide warten sie, bis die Autos vorübergerauscht sind, und überqueren dann gemeinsam die Spur. Der Hund läuft wieder voraus, sein Herrchen humpelt hinterher, die anderen Passanten blicken ihnen nach – dem Einbeinigen und dem Hündchen, das seine eigene Leine trägt und bei jedem Kommando seines Herrchens sofort pariert, sich immer wieder umschaut und wartet, wenn sein Herrchen zu weit zurückfällt.

Auch ich schaue den beiden hinterher, bis mein Nudelauflauf vom Betreiber des Bistros serviert wird. Ich bin der einzige Gast, die anderen acht oder neun Stühle sind leer, und der vielleicht knapp fünfzigjährige Betreiber berichtet, dass am Wochenende eigentlich seine besten Tage seien.
Die sind wohl alle auf der … auf der … wie heißt der Jahrmarkt hinterm Bahnhof?“
Osterwiese.“
Ja, sind wohl alle auf der Osterwiese“, sagt er, „oder weg über das Wochenende.“
Ich nicke.

Weiterlesen

3 Kommentare

Eingeordnet unter Bremen

In the Huckelriede Undergrowth

So there it is, barely three hundred yards from my front door, behind the dyke the first International Huckelriede Kiosk Festival. My neighbourhood hosting an international event?

I’m standing on the dyke top with the scruffy, neglected playground and Buntentorsteinweg, the main road, behind me and, before me, the Kleine Weser, the narrow southern arm of the large river that divides our city. On the grass below me is the familiar old kiosk hut, from which, however, nothing has been sold for over a year, but into which new life has now returned. And: it’s enjoying company for a few days four other kiosks, lots of long beer tables and benches, sun loungers, bales of straw and a tepee, in which the Huckelriede singer-songwriter is sitting and playing his guitar.

‘What’s that supposed to be?’ asks a man with a pair of nineteen-fifties glasses on his nose and a poodle on a lead. I shrug my shoulders and reply, ‘Art, probably.’ He gives a brief sniff, has a good look round and turns to me again. ‘Art?’ I nod; he shakes his head.

Weiterlesen

Ein Kommentar

Eingeordnet unter Englisch

KERBEN IM HUCKELRIEDER DICKICHT

Nun ist es da, knapp 300 Meter von meiner Haustür entfernt, hinterm Deich: das erste internationale Huckelrieder Kiosk-Festival. Mein Stadtteil als Herberge eines internationalen Events?

Ich stehe auf der Deichkrone, im Rücken den verlotterten Spielplatz und den Buntentorsteinweg, vor mir die Kleine Weser. Auf der Wiese zu meinen Füßen steht die vertraute Kioskbude, in der schon seit über einem Jahr nichts mehr verkauft wird, in die jetzt aber neues Leben eingekehrt ist; zudem hat sie für ein paar Tage Gesellschaft bekommen von vier weiteren Kiosken, zahlreichen Bierbänken, Sonnenstühlen, Strohballen und einem Tipi, in dem der Huckelrieder Liedermacher sitzt und Gitarre spielt.

Was soll das sein?“, fragt mich ein Mann mit Fünfzigerjahrebrille auf der Nase und einem Pudel an der Leine. Ich zucke die Schultern, sage: „Wahrscheinlich Kunst.“ Er schnieft kurz, lässt seinen Blick kreisen, sieht mich wieder an: „Kunst?“ Ich nicke, er schüttelt den Kopf.

Na denn. Komm Hansi, das ist nichts für uns! Das ist Kunst.“ Sagt es und schleift seinen Pudel hinter sich her, der so ausschaut, als wäre er gern noch ein bisschen geblieben. Ich blicke den beiden nach, sinniere einen Augenblick über den Stellenwert von Kunst im Leben von Pudelbesitzern und steige dann hinunter zur Deichschartschreiberin, einer befreundeten Schriftstellerin, die im wiederbelebten Kiosk hinter einer Schreibmaschine sitzt und auf Geschichten wartet, wenn sie nicht im Stadtteil auf Entdeckungstour geht, um selbst Geschichten aufzuspüren – so wie heute, wo sie mit mir zum Golfen verabredet ist.

Weiterlesen

Ein Kommentar

Eingeordnet unter Bremen, Storys