Katja Lange-Müller lässt ihre Romanheldin in der Drehtür stecken
Asta Arnold steht im Münchner Flughafen vor einer Drehtür, raucht eine Zigarette nach der anderen und denkt nach – über Gutsleberwurst, deutsche Redewendungen, ihre Vergangenheit und das, was die Zukunft möglicherweise für die Mittsechzigerin noch bereithalten könnte. Die letzten 22 Jahre ist sie als Krankenschwester in aller Welt für internationale Hilfsorganisationen im Einsatz gewesen; zuletzt in Nicaragua in einer Klinik, in der die Kollegen ihr ein One-Way-Ticket nach München geschenkt haben, um sie endlich loszuwerden.
Ihr Leben lang hat Asta ihr Helfersyndrom ausgelebt, nun weiß sie nicht, wohin mit sich. Unentschlossen steht sie da und mustert die Leute, die vorübergehen und ihr Erinnerungskarussell dabei in Schwung bringen. Asta denkt zurück, an die Nacht im Juli 1967, die sie unromantisch mit dem Koch der nordkoreanischen Botschaft verbracht hat. An Georg, ihrem talentierten Malerfreund, dem noch in der Nacht nach seiner ersten Ausstellung in Westberlin alle Werke geklaut wurden. An verpasste Liebschaften, zerbrochene Freundschaften und katastrophale Ferien.
Alles in allem scheint es ein recht glückloses Schicksal zu sein, das die 65-jährige Katja Lange-Müller der Protagonisten ihres schmalen Episodenromans „Drehtür“ zugesteht – wäre da nicht das Helfen, in dem Asta immer wieder ihre Erfüllung zu finden glaubte. Doch ab dem Moment, in dem sie nicht mehr gebraucht wird, geht ihr die Lebenskraft flöten. Und so ist es letztlich vor allem die anrührende Geschichte eines einsamen, ausgemusterten Menschen, die Lange-Müller erzählt – allerdings auf durchaus gewitzte Weise und nicht ohne Humor in einer flotten Sprache.
Katja Lange-Müller: Drehtür. Kiepenheur & Witsch, Köln. 224 Seiten, 19.00 €.