Schlagwort-Archive: Essays

Im Berg- und Textwerk

Am Donnerstagabend kommt Clemens Meyer im Rahmen der Lesereihe Satzwende nach Bremen. Ich darf die Lesung in der Bremer Shakespeare Company moderieren und habe sein aktuelles Buch „Stäube“ fürs Literaturmagazin Bremen besprochen. Den vollständigen Lesetipp findet ihr dort und nun auch hier.

Der Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer ist dafür bekannt, Geschichten vom Rande der Gesellschaft zu erzählen. Ob Arbeitslose, Prostituierte oder Kleinkriminelle, gerne rückt Meyer Menschen ins Rampenlicht, die sonst oft im Schatten verborgen bleiben. Meisterhaft gelang ihm dies vor allem in seinem Roman Im Stein, der 2014 mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet wurde, aber auch in seinem Debüt Als wir träumten und in zwei Erzählungsbänden. Zuletzt ist im vergangenen Herbst unter dem Titel Stäube ein schmales Buch mit drei Erzählungen erschienen, in denen der 44-Jährige erneut die Randzonen unserer Gesellschaft erkundet.

Die drei kurzen Erzählungen sind alle in der Bergbauregion Ostdeutschlands angesiedelt, ohne dass Orte tatsächlich benannt werden. In der ersten Geschichte kehrt ein Sohn heim in die vom Tagebau zerstörte Landschaft, um seine Mutter zu überzeugen, endlich fortziehen. Doch obwohl fast alle anderen weg und die Nachbardörfer der Braunkohle gewichen sind, will sie bleiben.

In der zweiten Erzählung tauchen wir mit einem Bergmann in seine Erinnerungen und die Tiefen und Mythen des Untertagebaus ein, während in der dritten eine Teenagerin davon erzählt, wie sie in einem ausländerfeindlichen Umfeld für einen jugoslawischen Jungen schwärmt und amerikanische Touristen für Geld zu einem explodierten Haus führt. In diesem Haus hätten zwei Männer und eine Frau gewohnt, die „Waffen hatten und mit den Waffen durchs Land reisten, in andere Städte reisten, weit weg, und den Tod dorthin brachten“. Dass es hier um die rechtsextreme Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) geht, scheint offensichtlich, dennoch verzichtet Meyer auf konkrete Benennungen. Dieser Verzicht passt zu Meyers Methode, in seinen Geschichten stellenweise die Grenzen zwischen Realität, Fiktion und Traum geschickt zu verwischen. Immer wieder verwebt sich die eigentliche Handlung mit Erinnerungs- und Traumbildern, was den Storys etwas Zeitloses sowie eine zarte, zuweilen gar mystische Note verleiht.

Weiterlesen

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Bücher 2021, Rezensionen

Begleitschreiben des Elfenbeinturmbewohners

Handke

Ob Romane, Erzählungen, Theaterstücke, Drehbücher, Gedichte, Übersetzungen oder Essays – in allen Gattungen hat Peter Handke Bedeutendes geschaffen. Ob auch seine Buchbesprechungen aus den 60ern und seine Feuilletons der vergangenen Jahre literarischen Wert haben oder bloße Randprodukte sind, darüber lässt sich nach der Lektüre des neuen Sammelbands „Tage und Werke“ durchaus streiten.

Sicherlich gehört der inzwischen 73-jährige Österreicher immer noch zu den produktivsten, vielseitigsten, eigensinnigsten und zugleich faszinierendsten Schriftstellern der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Mit dem Roman „Die Hornissen“ (1966) feierte er sein Debüt, mit unkonventionellen Sprechstücken wie „Publikumsbeschimpfung“ (1966) und „Kaspar“ (1967) Erfolge im Theater und mit „Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“ (1969) veröffentlichte er einen Gedichtband, der nahezu zum Bestseller avancierte. Erstmals für größere Aufregung gesorgt hatte der 1942 in Kärnten Geborene indes im April 1966 durch seine (inzwischen legendäre) Wortmeldung bei der Tagung der Gruppe 47 in Princeton, bei der Handke den Anwesenden „Beschreibungsimpotenz“ vorgeworfen hatte.

Weiterlesen

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Bücher 2015

4 – Ein Sammelsurium von Seitenpfadexkursionen

Beyer

In „Putins Briefkasten“ verwebt der Schriftsteller und Kleist-Preisträger Marcel Beyer in acht verspielten Essays virtuos Denkbilder über das Dichten mit Ausflügen nach Brixton, in die Imkerei, die Vogelkunde und Wladimir Putins Dresdener Vergangenheit

Was haben Marcel Proust, der VW Phaethon und eine Katze in Vilnius gemeinsam? Die Antwort: Sie alle finden Platz in „Putins Briefkasten“, einem Büchlein des Lyrikers, Essayisten und Romanciers Marcel Beyer. Der 1965 in Baden-Würtemberg geborene und seit knapp 20 Jahren in Dresden lebende Schriftsteller hat mit Gedichten seine literarische Karriere begonnen, ist mit Romanen wie „Flughunde“ (1995), „Spione“ (2000) und „Kaltenburg“ (2008) bekannt geworden und hat sich dann einige Jahre vor allem dem Verfassen von Opernlibretti zugewandt. 2014 legte Beyer nach 12 Jahren Auszeit mit „Graphit“ endlich wieder einen Gedichtband vor, für den er im Feuilleton mehrheitlich gefeiert und unter anderem mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Nicht ganz so viel Beachtung hatte die Öffentlichkeit zwei Jahre zuvor einem Taschenbuch geschenkt, das weder Gedichtband noch Roman ist, sondern eine Sammlung von „Acht Recherchen“, denen verschiedene Beiträge zugrunde liegen, die der Joseph-Breitbach-Preisträger (2008) für Zeitungen, Zeitschriften und Sammelbände verfasst hat.

Weiterlesen

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter ältere Bücher