19 – O du lieber Augustin

bobs lobster 

Soeben wurde der kleine Weihnachtsmarkt – der eigentlich kein Weihnachtsmarkt ist, sondern (laut Flyer) „eine feine Alternative“ zum Weihnachtsmarkt – auch vom Beamten des Gesundheitsamtes abgenickt, der seinen Aktenordner auf dem Tresen der am Markt gelegenen Bar aufgeschlagen hat und noch ein paar Formulare abzeichnet, bevor er alles wieder einpackt und sich mit einem Händedruck vom Betreiber der Bar verabschiedet.

Aus der Bar heraus hat man einen perfekten Blick auf den Platz mit den zwei Jurten und der Handvoll Holzbuden, die zusammen die feine Alternative bilden. Draußen tummeln sich nur wenige Leute – vier Mütter mit ihren kleinen, dick eingepackten Kindern, ein halbes Dutzend Glühweintrinker. Es ist zwar schon dunkel, aber noch Nachmittag, der Markt hat vor einer knappen Stunde geöffnet, doch gleich erst geht es so richtig los. Mit Open Stage und einem Konzert, das bestimmt schön werde, meint die Frau, die mir meinen Kaffee reicht. Was das für eine Band sei, die da später spiele, frage ich. Das wisse sie gar nicht so genau, aber es werde bestimmt gut, keine der Bands der letzten Tage habe bisher enttäuscht, es sei immer schön gewesen, sagt sie und lächelt auf eine Art, die es mir unmöglich macht, ihr nicht zu glauben.

In der Bar laufen die Vorbereitungen, das Warm-up für die Open Stage. Eine 69-jährige Opernsängerin, die (nach eigener Aussage) im Herzen höchstens 20 sei und 5 Kinder sowie 17 Enkel habe, singt raumfüllend von einem Haus am Meer, das sie sich wünsche.

„Text und Melodie sind von mir“, sagt sie, nachdem sie ihren ersten Beitrag beendet hat, und stimmt dann das zweite Lied an: O du lieber Augustin. An der Stelle, an der die Aufzählung all dessen folgt, was angeblich hin sei, hat sie einen Texthänger. „Melodien kann ich mir besser merken als Text“, sagt sie und versucht dann dennoch die Aufzählung zu komplettieren. Die anderen unterstützen sie, sodass alle gemeinsam vor sich hin murmelnd überlegen, was denn nun (laut Lied) alles hin sei.

Danach scheint das Warm-up beendet, im Raum herrscht für einen Moment Stille, nur von draußen, aus der großen Jurte, dringt Livemusik. Anscheinend der Soundcheck der Band, die nachher spielen wird – und tatsächlich klingt die Gitarrenmusik sehr schön. Während ich der Musik lausche und den letzten Kaffeerest trinke, drehen sich draußen auf dem Platz zwei Knirpse vor ihren Müttern im Kreis, und ein schwarzer Hund, mit einem Tennisball im Maul, schaut ihnen dabei zu und wedelt wild mit dem Schwanz.

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Eingeordnet unter Bremen, Schnipsel

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