Schlagwort-Archive: Christian Kracht

Eine Reise, die ist lustig, eine Reise, die tut weh

Christian Kracht erzählt in „Eurotrash“ äußerst raffiniert und mit viel Sinn für Komik von einer historisch belasteten Mutter-Sohn-Beziehung und vom Geld

Faserland konnte ich bei meiner Erstlektüre nicht leiden – was für ein unsympathisch arrogant versnobter Icherzähler war das denn! Wie er da in seiner Angeber Barbourjacke affektiert durch die Gegend stolziert, alles und jeden mit seinem blasierten Blick auf Premiumprodukte abscannt und auf neunmalkluge Art niedermacht, aber zugleich sein kaputtes Selbst nur mit Drogen mehr recht als schlecht zusammenzuhalten vermag. Pah, solche Leute konnte ich beim bestem Willen nicht ausstehen.

Mitte zwanzig muss ich da gewesen sein, und offenbar hatte Christian Krachts Debüt einen Nerv bei mir getroffen, verstanden hatte ich es allerdings nicht. Bei der Zweitlektüre, gut zehn Jahre später, fand ich es hingegen großartig. Vielleicht hatte ich es endlich verstanden oder vielleicht lag es auch nur daran, dass ich das Buch dieses Mal während eines zweiwöchigen Stipendiums auf Sylt las, wo Faserland beginnt.

Sylt spielt auch in Krachts aktuellem Roman Eurotrash eine Rolle, obwohl sich die Geschichte, die Kracht darin erzählt, in erster Linie in der Schweiz abspielt. Los geht’s in Zürich, also genau in jener Stadt, in der Faserland endet; und das ist natürlich kein Zufall, denn der Icherzähler von Eurotrash ist ein gewisser Christian Kracht, der von sich aber auch schon mal behauptet, Daniel Kehlmann zu sein, wenn er nicht erkannt werden möchte. Dieser Icherzähler hat vor einem Vierteljahrhundert eine Geschichte geschrieben, die er aus irgendeinem Grund, der ihm nun leider nicht mehr einfalle, Faserland genannt hatte.

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Eingeordnet unter Bücher 2021

Kunstvolle Schlacht ums Kino

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Christian Kracht erzählt in seinem neuen Roman mit Witz von der Kinowelt der 30er

Ob Charlie Chaplin jemals spätnachts schlecht gelaunt und trunken einen japanischen Kinomacher vom Deck eines Dampfers in den Pazifik geschubst hat, ist nicht überliefert, darf jedoch bezweifelt werden. Aber historische Fakten interessieren den Schweizer Schriftsteller Christian Kracht nur bedingt, historische Persönlichkeiten dafür umso mehr. Bereits in seinem viel diskutierten Roman „Imperium“ (2012) tummelt sich allerlei der Zeitgeschichte entliehenes Personal – allen voran der Vegetarier und Nudist August Engelhard, der Anfang des 20. Jahrhunderts auf Deutsch-Neuguinea dem Kokovorismus huldigte. Und so wie Kracht in dieser Aussteigersatire frei mit den Fakten hantiert und munter dazudichtet, so dienen ihm auch in seinem aktuellen Roman reale Ereignisse und Personen lediglich als Kulisse und Knetmasse für sein verspieltes Werk.

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Eingeordnet unter Bücher 2016

Meine Insellektüre – Der Esoterikheini und seine Kokosnuss

kracht Imperium

Christian Krachts Roman „Imperium“ dockt an einer realen Figur an und erzählt in einem flotten Stil mit viel Ironie eine irrsinnige Aussteigergeschichte aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts, die mich während meiner ersten Tage auf Sylt bestens unterhalten und des Öfteren zum Lachen gebracht hat – als Satire auf einen abgedrehten Insulaner und übersteigerten Idealismus die ideale Insellektüre.

August Engelhardt hat die Nase voll, vom Deutschen Reich, der Moderne, der Zivilisation und jenen, die das alles in die Welt gesetzt haben – den Menschen. Also nichts wie weg aus dem gar nicht so guten alten Europa und ab in die Südsee, genauer gesagt: nach Neupommern, dem heutigen Neubritannien, das Anfang des 20. Jahrhunderts als Kolonie dem Deutschen Reich angehörte. Und in eben jene Zeit hat Christian Kracht die Handlung seines Romans „Imperium“ verlegt – wobei Zeitraum sowie Handlungsschauplatz im Prinzip vorgegeben waren, da Krachts Protagonist ein reales Vorbild gleichen Namens hat.

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Eingeordnet unter ältere Bücher, Syltschnipsel