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Schreiben in Zeiten von Corona

Mehr Zeit zum Schreiben und zum Lesen! Das war ein spontaner Gedanke, der mir kam, als sich Mitte März andeutete, dass der allgemeine Betrieb in den nächsten Wochen deutlich heruntergefahren würde. Und mit diesem Gedanken war ich offenbar nicht allein – auf den ersten Blick erschien vielen die verordnete Zwangspause vom gesellschaftlichen Leben eine willkommene Gelegenheit, sich von der alltäglichen Hektik zu erholen und dieses Zeitfenster, das sich da plötzlich öffnete, zu nutzen, um sich endlich einmal anderen, so oft vernachlässigten Tätigkeiten zuzuwenden. Bei vielen schien diese Stimmung allerdings recht rasch zu kippen, als ihnen bewusst wurde, welche Konsequenzen die Beschränkungen mit sich bringen.

Mir selbst erschien das Weiterarbeiten an eigenen literarischen Projekten als viel zu banal, als überflüssig angesichts der aktuellen Lage, in der viele Menschen existenzielle Kämpfe auszufechten haben bzw. viel mehr und noch härter als sonst arbeiten müssen. Doch zugleich bin ich davon überzeugt, dass auch in einer solchen Krise weitergeschrieben werden muss, auch an Texten, die nichts mit der aktuellen Situation zu tun haben. Für einige ist das Weiterschreiben sogar lebenswichtig, und zwar vor allem für all jene, für die das Schreiben schlicht und einfach ihr Beruf ist, ihre Arbeit, von der sie leben. Dementsprechend gilt es (soweit die Rahmenbedingungen es zulassen) weiterzuschreiben, seine Arbeit fortzusetzen und damit auch eine Form von Normalität aufrechtzuerhalten – auch wenn einem das in manchen Momenten zurzeit absurd vorkommen mag.

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Die Zeit zwischen Molenturm & Landmarktower

Molenturm

Sie sitzt im Molenturm, schaut durch eins der kleinen Fenster hinaus. Über der Weser kreisen kreischende Möwen, zanken sich um etwas, das sie nicht erkennen kann. Das ist nun ihr Arbeitsplatz als offizielle Schreiberin der fantastischen Republik Utopistan, die ein Künstlerkollektiv für einen Monat auf der Brache im Europahafen ausgerufen hat. Zwei Wochen lang darf sie schreiben, darf schreiben, was immer sie will – in Utopistan sage einem niemand, was man zu tun oder zu lassen habe, hieß es in der Ausschreibung. An der Kaimauer sitzt ein Angler und raucht eine Zigarette. Am gegenüberliegenden Ufer steigen ein paar Leute vom Anleger auf die Fähre. Sie hatte die Ausschreibung gelesen und gedacht, warum nicht. Zwei Wochen lang im Molenturm sitzen und schreiben. Klang wie ein Traum. Heute ist erst der dritte Tag, die ersten beiden Nächte waren kalt, ihr Rücken schmerzt, der Instantkaffee schmeckt genau so, wie er aussieht. Sie stellt die Tasse auf dem einzigen Stuhl ab, streckt sich, stößt sich den Kopf an der niedrigen Decke, flucht, greift sich einen Kugelschreiber und ihr Notizbuch, in das sie gestern nur ein paar Sätze gekritzelt, die sie später wieder durchgestrichen hat. Sie steckt beides in die linke Manteltasche, öffnet die Tür.

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Unreparierbare Jahressplitter – XII

Eine Schnipsel-Melange – Dezember

Abschlusslesung – Die Widerborstigkeit der Wörter

Noch eine Lesung. Noch ein Text. Ein Jahresrückblick wäre schön. Gern unterhaltsam. Ein bisschen witzig wäre auch toll. Aber der Text sollte natürlich zudem dem gehobenen Anspruch des durchaus kritischen Fachpublikums genügen.

Nichts leichter als das, denke ich und beginne sogleich erste Ideen und mögliche Handlungsfäden zu entwickeln, spinne Tag für Tag meinen Text fort, wäge im Gedanken diese oder jene Wendung ab. Schließlich gelingt es mir im Laufe der Wochen durch intensivste Kopfarbeit den Text am Abend vor der Lesung zu vollenden – zumindest in meinem Hirn. Dass ich noch keinen einzigen Satz zu Papier gebracht habe, empfinde ich als nebensächlich.

Kein Grund zur Panik, sage ich mir, der Text ist ja schon in deinem Kopf, da kann nichts mehr schiefgehen, das Ganze muss bloß noch runtergeschrieben werden.

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Das Leben ist kein Film

ABaum-sw

Antonia Baum schreibt gegen den drohenden Tod ihres Vaters an

Du bist ein Vampir am Bett deines Vaters.“ Mit dieser Selbstanklage konfrontiert sich die Autorin Antonia Baum, nachdem ihr Vater mit dem Motorrad verunglückt ist und sie darüber zu schreiben beginnt. Die Schriftstellerin bangt um ihren schwerverletzten Vater und verarbeitet den Unfall auf eine für sie naheliegende Art: schreibend. Doch wenn eine Autorin zu schreiben beginnt, dann stellt sich – selbst wenn es sich vordergründig um ein therapeutisches Schreiben handeln mag – irgendwann die Frage, ob aus dem Text nicht auch ein Buch werden könnte. Wenn sie aber aus ihrer Familientragödie kreatives Kapital schlägt, ist sie dann nicht eine Art Blutsaugerin, die sich vom Leid der anderen nährt?

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Syltschnipsel 8 – Textarbeit mit Möwen

Rantumer Becken

Jenseits meiner Fensterfront dreht ein Schwarm Möwen am Rande des Rantumer Beckens seine Runden über zwei Scheunen, und dabei leuchtet jedes Mal, wenn sie die Linkskurve fliegen, das Weiß ihres Gefieders in der Morgensonne.

Währenddessen drehe ich diesseits der Fensterfront an meinem Schreibtisch Runden über meinem Text. Hier Sätze streichen, da Textteile umstellen, dort Wörter austauschen. Zwischendurch Grüntee, Schwarztee, Ingwertee.

Draußen kreisen die Möwen über den Scheunendächern. Noch eine Runde. Den kompletten Text leise lesen, laut lesen, noch mal lesen. Zur Unterstützung eine Mandarine, zwei Kekse, drei Mandeln.

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Syltschnipsel 7 – Abendshow am Schreibtisch

Rantumer Hinterhof

Die Schmidt Show von der Reeperbahn mit Lilo Wanders live in meinem Hinterhof!

Während ich bei offenen Fenstern am Rechner sitze und schreibe, klingt die Musik von der Meerkabaretthalle zu mir rüber – die einzelnen Songs (momentan Robbie Williams Angels), die Ansage von Lilo, der Applaus & Jubel des Publikums.

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