17. April 2019 · 14:48

Tagebuchnotiz 6, Paris, Juli 2010
Auf der Île de la Cité. Vor mir: Notre-Dame mit ihren beiden Türmen. Imposant!. Auch die Schlange vor dem Hauptportal. Reihe mich trotzdem ein. Notre-Dame muss sein! Denken vermutlich auch all die anderen. Drinnen im riesigen Kirchenschiff erhabene Schönheit, viel Altehrwürdiges, Kunstschätze und Reliquien, riesige Fensterrosetten. Geschichte pur in jeder Pore, aber kein Ort der Stille. Eine ruhelose Kathedrale. Alles verstopft mit diesen elenden, vor sich hinmurmelnden, mit Mobiltelefonen bewaffneten Touristen. Ich gehöre natürlich nicht dazu (bin schließlich ein kulturinteressierter Flaneur, der sogar ein analoges Notizbuch aus Papier – ja, Papier! – besitzt; außerdem recherchiere ich selbstredend für meinen fulminanten Parisroman beziehungsweise für eine Erzählung, in der Paris … bla, bla, bla … ). Ein Dilemma. Alles. War schon in Sacré-Cœur so. Überall Trubel. Am liebsten ist mir Paris abseits der populären Plätze – in den kleinen Seitenstraßen, auf dem Trottoir vor einem Café, an einer leicht abseitigen Stelle am Seine-Ufer, auf den Stufen einer versteckten Treppe in Montmartre … Weit, weit über mir, das Gewölbe! Dieser Raum! Diese Weite! Gigantisch!
Wieder draußen vor der Kathedrale der mühselige Versuch, mit meiner alten Knipse die kolossale Dame ins Bild zu rücken, möglichst ohne Menschen, die dazwischenlatschen. Könntet ihr mal alle zur Seite gehen, bitte!
Am Ende ein Foto aus der Halbdistanz, geschossen unter den Blättern eines freundlichen Baumes.